Der berühmte und allseits
bekannte Koloss von Rhodos steht in enger Verbindung mit der Belagerung
der Stadt durch Demetrios
Poliorketes
im Jahre 305 v. Chr. Demetrios ließ für die Eroberung der
Stadt die größte Belagerungsmaschine der damaligen Kriegswelt bauen, die
Helepolis, einen neunstöckigen, ca. 30 Meter hohen, mit Rammböcken und
Katapulten versehenen fahrbaren Eichenholzturm zum Durchbrechen der
Stadtmauern. Die Rhodier konnten durch das Anlegen eines getarnten
Grabens das Ungetüm zum Umstürzen bringen. Dieser Erfolg der Rhodier
veranlasste Demetrios die Belagerung der Stadt aufzugeben und die
Kriegsmaschine zurück zu lassen.
Durch diesen Sieg zu Ruhm
gelangt, beschlossen die Rhodier mit dem Geld, das sie aus dem
Verkauf der von der Armee des Demetrios zurückgelassenen
Belagerungsmaschinen erlösten, ein Standbild zu errichten, das den
großen Gott Helios verherrlichen sollte.
Der Bronzeguss besaß auf der Insel Rhodos eine lange Tradition. Deshalb
beschloss man, dem Sonnengott eine gewaltige Bronzestatue zu errichten.
Diese gewiss nicht leichte Aufgabe wurde dem Bildhauer Chares aus
Lindos, einem Schüler des Lysippos von Sykion, übertragen. Das
Hauptproblem dabei war, dass Chares kein Vorbild für ein Werk dieser
Größe hatte. Bei kleineren Bronzestatuen war es in Griechenland üblich,
ein Wachsmodell der Figur mit Lehm zu umhüllen und nach dem Trocknen der
Lehmschicht zu erhitzen, damit das Wachs im Innern schmolz und aus einer
kleinen Öffnung abfließen konnte. Der so erhaltene Hohlraum wurde mit
Bronze ausgegossen. Nach dem Erkalten wurde der umhüllende Tonmantel
zerschlagen, wobei allerdings die Gussform verloren ging. Bei größeren
Statuen stellte man allerdings einzelne Teile her, die später zusammen
gelötet wurden.
Der einzige überlieferte
Bericht über die technische Errichtung des Koloss stammt von Philon von
Byzanz aus dem 5. Jh. n. Chr., dem Verfasser einer kleinen Schrift über
die Sieben Weltwunder der Antike. Demnach soll Chares zuerst ein mit
Steinen ausgemauertes Eisengestell als inneren Träger gebaut
haben. Die so geschaffene Form besaß nahezu die endgültigen Maße der
Statue. Neben dem Gestell sollen Erdrampen aufgeschüttet worden sein,
auf denen Bronzeöfen errichtet wurden, in denen die einzelnen Teile an
Ort und Stelle gegossen wurden und so die Statue eine durchgehende
Bronzehaut bekam. Dieser Erklärung stehen aber eine Vielzahl technischer
Schwierigkeiten entgegen. Man nimmt heute eher an, dass Chares die
bronzenen Glieder des Standbildes einzeln und am Ort der Aufstellung
gegossen habe und so die Errichtung langsam von unten nach oben
erfolgte. Chares brauchte bis zur Vollendung dieser Aufgabe ca. 12
Jahre. Das Standbild soll in den Jahren 304 bis 292 v. Chr. errichtet
worden sein. Obwohl der Koloss zu den sieben Weltwundern der Antike
gezählt wurde und in seiner Form und Vollendung ein technisches und
künstlerisches Meisterwerk gewesen war, gibt es bis heute keine
Zeugnisse die beweisen, wie der Koloss tatsächlich ausgesehen hat und wo
der exakte Aufstellungsort war. Aus einer Inschrift, die in der Nähe des
Palastes der Großmeister gefunden wurde, geht lediglich hervor, dass die
Höhe ca. 31 Meter betrug. Weitere Höhenangaben schwanken zwischen 30 und
36 Metern.
Die allseits bekannte Legende, dass der Koloss an der Hafeneinfahrt von
Mandraki gestanden habe und die Schiffe unter ihm hindurch gefahren
seien, ist wenig wahrscheinlich. Heute gilt es dagegen als gesichert,
dass die Statue, auch bedingt durch das technische Verfahren während der
Bauzeit, auf dem Festland errichtet wurde und zwar auf dem Vorhof des
Heliostempels, der ganz in der Nähe des Großmeisterpalastes stand.
Leider stand das
Wunderwerk nur ganze 66 Jahre aufrecht. Durch ein großes Erdbeben um das
Jahr 225 v. Chr. brach die Statue an den Knien ab und stürzte in sich
zusammen. Obwohl die Rhodier planten, das riesige Standbild wieder
aufzubauen, ließen sie doch von dem Plan ab, da sie in dem Einsturz der
Statue ein Vorzeichen
gemäß eines Orakelspruchs sahen. Die Überreste sollen fast 900 Jahre
überdauert haben. Im Jahre 653 n. Chr. eroberten und plünderten die
Araber unter dem Kalifen Othman ibn Affan
die Insel Rhodos. Die Trümmerteile der Statue sollen an
die kleinasiatische Küste geschafft und an einen jüdischen Händler
verkauft worden sein, der 900 Kamele zum Weitertransport in die syrische
Stadt Edessa benötigte, um die Bronzeteile dort einschmelzen zu lassen.
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